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Ein gebrochenes Glossar des politisch Korrekten

Petition/Offener Brief

Frei nach Clausewitz: Die Petition und der Offene Brief sind die Fortführung der digitalen Empörung mit anderen Mitteln. Fast waren diese beiden Instrumente der öffentlichen Selbstermächtigung im Zuge der globalen Internetisierung unter die Räder gekommen, heute feiern sie ihr ungeahntes Comeback. Offene Briefe und Petitionen aber haben auch etwas Überraschendes - meist gelingt es ihnen, selbst verhasste Menschen wie Markus Lanz oder Rainer Brüderle plötzlich wieder sympathisch zu finden.

Offene Briefe enden übrigens gern und häufig mit der Aktion Faust auf Tisch und der selbstbewussten Klarstellung: 'Außerdem ist das sexistische Kackscheiße!' Fertig aus.

Die Grünen

Status quo: Wenn ich korrekt informiert bin, wäre es mir in Deutschland gesetzlich explizit nicht verboten, mit meinem Porsche bei Tempo 250 über die entsprechend freigegebene Autobahn zu brettern, dabei pausenlos Zigaretten zu rauchen und an einem Glas Sekt zu nippen. Dass ich das bislang nicht gemacht habe, heißt nicht, dass ich keinen Porsche habe, sondern wohl eher, dass ich nicht vollkommen verrückt bin. Wie die meisten. Die Grünen allerdings möchten alles davon verbieten, klar, die haben ja auch keinen Porsche.

Margot Käßmann

Über Deutschlands Vorzeige-Protestatin Margot Käßmann wurden bereits hoffentlich alle Witze gemacht, gerade deshalb aber - Ordnung muss sein - darf sie natürlich in einer solchen Liste auf keinen Fall fehlen. Wer auch gegen jede Art von Krieg und Militär ist und wer ganz einfach möchte, dass es den Menschen später einmal besser gut geht als heute, der kann auf Margot Käßmann zählen.

P.S. Auf Wunsch signiert sie auch Bücher und erklärt wieso.

Schweden

Schweden! Land der Gleichstellung, Land der Geschlechtssensibilität, Land der geschlechtsneutralen Pädagogik und damit: Land der Happiness. Schweden ist auf jeden Fall das beste Land der Welt. Außerdem wurde in Schweden gerade mit der Einführung eines neuen geschlechtsneutralen Personalpronomen ('Hen') auch das letzte Problem der schwedischen Gesellschaft gelöst.

Facebook/Twitter

Im Folgenden haben wir es mit einem Paradebeispiel an Paradoxie zu tun. Auf der einen Seite leisten die Sozialen Medien vorbildliche Arbeit darin, lupenreine antisemitische und rassistische Hetze zu wecken, zu befeuern und zu dokumentieren - und auf der anderen Seite dienen sie einer rasant wachsenden Horde eifrigster Philister dazu, jede noch so kleine politische Sprachunkorrektheit im öffentlichen Diskurs in einen Empörungs-Shitstorm zu verwandeln.

Es ist hoffnungslos.

Alison Bechdel

Also, die US-amerikanische Autorin und Comic-Zeichnerin Alison Bechdel ist wahrscheinlich ganz ok, hätte sie nicht in einem Anfall von Wahnsinn den gleichnamigen Bechdel-Test erfunden. Dieser bewertet anhand eines simplen Systems die Darstellung der Frau in Spielfilmen und misst so den meist unerhörten Grad an Sexismus.

Funfact: Seit 2013 erhalten Filme in Schweden per Gesetz die Note A, wenn sie den Test bestehen und dürfen anschließend mit gutem Gewissen geschaut werden.

Funfact II: Harmony Korines Meisterwerk "Spring Breakers" besteht den Bechdel-Test, bitches.

Aktion Sorgenkind

Manchmal - ganz selten - holt ein System sich ja gewissermaßen selbst ein. So ungefähr muss das gewesen sein, als man im Jahr 2000 bei der beliebten ZDF-Soziallotterie 'Aktion Sorgenkind' hysterisch feststellte, dass der Name der bewusst anti-diskriminierenden und pro-inklusionistischen Sendung im Grunde genommen total diskriminierend war. Kein Mensch wolle sich schließlich zu den Sorgenkindern zählen. Seither heißt das Format 'Aktion Mensch' und alles ist wieder gut.

So ungefähr in drei bis achtzehn Jahren wird das Format übrigens nur noch 'Aktion' heißen, um nicht auch noch diejenigen Menschen zu diskriminieren, die sich nicht zu den Menschen zählen.

Horst Dieter Schlosser

Horst Dieter Schlosser hat nicht nur zwei sehr schöne Vornamen, er ist auch Erfinder und Verwalter der Aktion 'Unwort des Jahres'. Und da politische Korrektheit in ihrem Kern ja erst einmal nichts anderes als oberflächliche Sprachkritik ist, haben wir hier sozusagen einen Propheten der politischen Korrektheit.

Da wiederum derartig spitzfindige Zeitgenossen gerne mal in den zweifelhaften Ruf eines „Gutmenschen“ geraten, ließ Schlosser das Wort 2011 einfach zum Unwort des Jahres machen. Genial.

Gender Studies

Es tut mir irgendwie leid, aber ich kann in den Gender Studies beim besten Willen keine Wissenschaft erkennen. Das wäre ja nicht weiter schlimm, schließlich gibt es auch andere witzige Forschungsfelder wie die Alchemie oder die Astrologie, die es unbedingt weiter zu verfolgen gilt, damit junge Frauen etwas Sinnvolles zu tun haben. Aber gleich an der Universität? Außerdem: Bestimmt auch wegen der Gender Studies heißen Studenten heute nur noch Studierende. Und bestimmt auch wegen der Gender Studies durften Studenten in der Universität noch rauchen, während Studierende das natürlich nicht mehr dürfen.

FAIR TRADE

Man muss sich fast schon ein wenig schämen, nennt man an dieser Stelle nur das Offensichtlichste - aber es hilft ja nichts. Während man sich als neo-kolonialistischer Entwicklungshelfer mit reinem Herzen und Diplomatenpass zumindest einmal auch vor Ort die Hände schmutzig machen muss, um für Facebook schöne Fotos mit strahlenden Kindern vor selbstgebastelten Brunnen schießen, bekommt der bloße Käufer von FAIR TRADE-Produkten das fast selbe Gefühl sogar noch ein bisschen billiger.

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