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Das Fritz Brinkmann Buch 10 und 11

10. Kapitel

20.5.1977

Gestern waren Fritz und Blondie hier.

Lojo: Irgendwie freue ich mich, daß ihr beide, du, Fritz, und Blondie mal zusammen hier seid.

Blondie: Ja, gell, denn eigentlich mochten wir uns nicht besonders, stimmt's, Fritz?

Lojo: Dabei habe ich das nie verstanden. Fünfzig Prozent der Gespräche, die ich hier in Schwabing zu führen habe,drehen sich darum, Fritz zu verteidigen, die anderen fünfzig Prozent darum, Blondie zu verteidigen. Und die Attacken, die dümmlichen Angriffe, sind in beiden Fällen dieselben. Man sollte glauben, daß ihr euch ähnlich sein müßtet.

Fritz: Nun, die Sache ist die - ich meine - (nimmt die Brille ab) -

Lojo: Für mich ist Blondie eine wunderbare Frau! Sie ist geschlechtsbewußt, verachtet die Männer. Sie redet viel Blech und Larifari, aber während sie das tut, beobachtet sie, nimmt wahr, macht sich ihre Gedanken, fällt blitzgescheite und geschmackvolle Urteile. Ich möchte sagen: dieses Larifari-Gequatsche ist Tarnung bei Blondie, in Wirklichkeit entzieht sie sich den Leuten, steht über ihnen.

Blondie: Weißt, das ist wie beim Roland. Da hab ich auch immer so flashs, verstehst, so ganz ausgeflippte Gschichten, weißt.

Lojo: Ja ja. Außerdem hat Blondie, hast du, Blondie, einen ungeheuren Stolz. Kein Mann hält dich aus, keine Eltern haben ihre Finger in deinem Leben, kein Staat zahlt Bafög. Du stehst wirklich auf eigenen Beinen, mehr als alle, die wir kennen. Denk mal darüber nach, Fritzi, ist es nicht so?

Fritz: Ja - ja - auf eigenen Beinen - richtig bemerkt - ja (hebt beschwichtigend den Arm). Nun, ich will dazu etwas sagen, das - so hoffe ich - auf keinen Fall böse gemeint sein soll - (setzt die Brille auf) - Blondie!: Kann es sein, daß du manchmal deinen Gesprächspartner - du weißt - Kommunikation undsoweiter undsoweiter, ich meine: als goldene Regel, also jedes Kind weiß ja Sender/Empfänger,· nicht wahr, du verstehst - also (nimmt die Brille ab) der andere, der Empfänger - ja? - darf sich nicht überrumpelt vorkommen (steht auf, richtet den Zeigefinger auf Blondie, will weitersprechen)

Blondie: Ja, weißt, das is halt so, ich bin ja dermaßen in den Schöbel verschossen , d as ist so ultra, verstehst, dauernd erleben wir so ausgeflippte Sachen, er sagt , er fühlt sich so latschert und ich sag hey die U-Bahn schaugt

aus wie ein Regenwurm und er sagt nur sowas wie groovy-groovy, einfach so, verstehst.

Lojo: Ja, Blondie, was ich noch sagen wollte, was ich an Blondie so bewundere, ist ihr Geschmack und ihre Menschenkenntnis, sie hat Stil , sie weiß, was sie will , ich weiß nicht, wie ich es sagen soll , sie ist eine Dame. Sie redet über Strickmuster bei Pullovern , aber warum auch nicht? Sie redet nicht über Psychoscheiße und Politscheiße und Beziehungsscheiße. Sie entblößt, sich nicht, sie wühlt nicht rum in ihrer Intimsphäre, weil sie Würde hat. Strickmuster von Pullovern für die Außenwelt, mehr nich, denn alles andere ist ihre Sache, darauf besteht sie , das hält sie auch durch, auch wenn sie dabei zur Alkoholikerin wird. Ja, Blondie ist die letzte Person in dieser verpanschten Gesellschaft, die Würde hat. Hab ich recht, Blondie? Ist es so, kann man es ungefähr so ausdrücken?

Blondie: Die Leute haben früher immer gesagt, was will die denn, die ist ja crazy, aber was solls, vielleicht bin ich crazy, der Roland sagt immer, ich hätt die Psyche vonnem Typ, gell, ich weiß nicht, vielleicht hab ich die Psyche vonnem Typ, mir gfalln halt Leut wie der Schöbel , die so ausgeflippte Sachen tun, weißt, er sagt halt, einfach so, ich bin der Weihnachtsmann und nur so, gell, just for fun, und ich sag, ich bin der Osterhase, gell, einfach so.

Lojo: Gut, gut. Ich wollte noch sagen, Blondie versteht auch eine Masse von Literatur, sie hat viel gelesen und kennt sich aus. Sie ist nicht dumm, sie hat Marie-Luise Kaschnitz gelesen und Ingeborg Bachmann. Wenn man ihr Lorca vorliest, lacht sie nur, das hat sie hinter sich. Sie kann darüber nur lächeln, weil sie nicht mehr in der Stube sitzt und liest, sondern das richtige Leben kennengelernt hat .

Blondie: Ich schreib ja auch. Ich hab einen Satz geschrieben, das ist halt der totale flash: sie war eine Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie. Da hauts einen um, gell? Ich mag solch ausgeflippte Sachen, verstehst, nicht so Poesie-Scheiß.

Lojo: Naja , so ganz sollte man das vielleicht nicht abwerten, ich meine -

Fritz: Nach dem Motto Opas tolle Sprache ist tot – es lebe der Dreck!

Blondie: Sag mal, Fritz, jetzt wo wir uns endlich mögen, kannst mir nicht einen Rat geben, wie ich den Schöbel rumkriege? Ich bin verschossen in den Typ, ich flipp richtig, verstehst. Ich mags ja nicht, wenn man so nach Taktik was macht, es muß so kommen, verstehst, es muß da sein, sonst gibts eh keinen flash, weißt, entweder die vibrations sind da oder es nervt bloß, der Peter sagt immer-

Fritz: Blondie - ich kann dich da ganz beruhigen. Du magst keine Taktik, willst aber diesen Schöbel haben. Blondie - jeder intelligente Mensch, der einen bestimmten Partner haben will, überlegt doch eine Taktik. Erst die Taktik, das Arrangement, die Natürlichkeit kommt dann von selbst, später.

Blondie: Beim Christian ist es immer so, daß -

Fritz (akzentuiert): Ich empfehle dir, deinen Partner, also Schöbel, nicht zu überfahren.

Lojo: Fritzi meint, du solltest ab und zu auch mal still sein und deinem Schöbel zuhören .

Blondie: Meinst du, ob der Richard mich wirklich liebt?





11. Kapitel


2.6.1977


Ich rannte zum Capri und sah Fritz Brinckmann mit einem Mädchen Eis essen. Ja, lieber Fritz, sagte ich. Was machst du denn da, wer ist denn das nette Mädchen? Es war seine Freundin. Putzteufel, er hatte es also fertiggebracht, eine Freundin zu kriegen, das war doch was... dieser nicht ernstzunehmende Spinner, diese lächerliche Frohnatur, diese von mir selbst gebastelte Karikatur hatte immerhin das, was ich, was Richard, Verleger Meyer, Bruder Eckart, was so viele sich vergeblich wünschten. Nun, mein Guter, sagte ich, werde ich mich denn setzen dürfen? Aber ja, platzte er heraus, schob mir einen Stuhl zurecht und griff dann mit beiden Händen auf seine Freundin. Er patschte ihr ins Gesicht, lachte sie etwas irre an, setzte sie, übrigens recht ungestüm, auf seine Knie und machte mit ihr dies und das.


Die Freundin sah aus wie ein Rhinozeros, war sehr ungelenk und wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Da sich Fritz auch zu ungestüm anstellte, brachte er sie von einer peinlichen Lage in die andere. Schlimm wurde es aber erst, als er heftig auf sie einsprach, seine neuesten Ideen und Projekte entwickelte und dabei ständig an ihr, seiner Freundin, rumhantierte. So begann er bei jeder Steigerung seiner Rede seine Hand unter ihren Pulli zu schieben und… hin- und herzureiben. Einerseits was es der Freundin peinlich, weil sie Speck auf den Rippen hatte, andererseits war sie sehr kitzelig und sie lachte gequält, wobei ihr Gesichtsausdruck etwas Debiles bekam und ihre Ähnlichkeit mit einem Rhinozeros noch erstaunlicher wurde.


Fritz zahlte, auch für mich, denn ich hatte seit dem 18.4. kein Geld mehr, und wir gingen zu dritt ins Appartement. Dort schlief Fritz mit ihr, versuchte es zumindest, doch sie war, wie er mir noch am selben Abend glühend aufgeregt

mitteilte, Jungfrau, ohne Pille, Internatsmädchen, außerdern ihren Eltern hörig und, alles zusammengerechnet gefühlsarm wie ein Kühlschrank.


Fritz schlief dann hier im Appartement, hielt lanqe Reden, redete noch im Schlaf weiter, aber am nächsten Morgen kam nicht nur das Mädchen wieder, sondern auch seine Schwester Anja, eine hübsche Person übrigens. Tja, das war dann auch schon die Gang, wir wohnten dann bis gestern zusammen, das Mädchen flog aus dem Internat, aber was das Wichtigste war: Wir waren zu viert so stark, daß wir andere Leute an zogen wie der Honig die Fliegen. Tatsächlich war ich zwei Wochen lang keine Stunde allein. Ich klappte innerlich meinen Denkapparat zu und machte einfach mit. Ideen lieferte Fritz, der im übrigen immer zutraulicher wurde und am Ende so anhänglich war wie Andreas Greverath 1974 .


Mich nahm man ernst, und da ich zu ich hielt, weiter an seinem Mythos bastelte, tat man, was er wollte, ging auf seine Ideen ein. Er steigerte sich dann (mit mir) in einen kollektiven Größenwahn hinein, den auch ich nicht mehr bremsen konnte und der eines Tages unser Genick brechen würde. Das klingt natürlich viel zu dramatisch, ungefähr so sah es aus: Wir tauchen, wie jeden Abend , gegen 23 Uhr vor einem Club auf, hochexklusiv, man will uns nicht hineinlassen. Fritz kriegt dann kaum Luft vor Erregung. Mit uns und hinter uns das Rhinozeros, Anja (die Schwester) , Blondie, Ute und Fräulein Beate. Dann platzt Fritz los, führt sich auf wie ein Hahn, wie ein verletzter Spanier, ein Aristokrat. Er sagt: "Hören Sie - also - nicht wahr - ich muss Ihnen das sagen - lassen Sie - lassen Sie - lassen Sie mich diesen Satz sagen - wissen Sie - es ist ja so - nicht wahr - Aus. Schluß, SchluB der Debatte - das wäre ja noch schöner - so, und nun Schluß damit - vielen Dank. Kommt, Kinder." Und wir gehen alle hinein.


Erstmal richtig in Stimmung, greift mich Fritz am Arm, leht sich mit Grandezza zurück und fordert mich auf, ihm das Mädchen meiner Wahl zu nennen:

"Lojo, mein Freund, welche willst du haben. Heute ist dein Ehrentag. Nenne mir das Mädchen in dieser Lokalitat, ich hole es dir. Heute soll es uns egal sein, ha, Geld spielt keine Rolle, ich zahle alles, ich kaufe dir jedes Mädchen hier im Saal, ja, das tue ich, mein lieber Lojo. Ein Wink genügt, ein kurzes Kopfnicken in eine bestimmte Richtung, ich werde dann schon die Gemeinte herauspicken, ich habe ja schließlich Augen im Kopf, he? Na, was ist? Welche soll es sein? Trau dich nur! Hehe, diese Nacht soll lan werd en, das will ich wohl meinen! Worauf wartest du noch, gefällt dir etwa keine, bist du etwa kleinlich und wählerisch? Heute soll es nicht so drauf ankommen, nachts sind alle Katzen grau, wie man so sagt, hoho. Ha! Nun aber los, mein Freund, Sonst setzte ich dir die Nächstbeste auf den Schoß!“


Ich guckte angestrengt durch die Linien, streckte meinen Hals, drehte mich um. Es Blieb dabei: als einziges gefiel mir ein kleines, ein Meter fünfzig großes Mädchen, das mit geschlossenen Augen zierliche Menuettschrittchen exer-zierte. Ich sagte daher endlich – da ich sah, daß Fritz drauf und dran war, eine Dummheit zu begehen: „Die da“.


Ich sah die beiden miteinander reden, dah zum erstenmal ihre Augen, begriff, warum sie sie immer geschlossen hielt – sie waren recht klein – (es ging sehr schnell) Schon kamen die beiden auf mich zu. Fritz stellte mich als „unseren Typographen und Texter“ vor, Anja wurde „unsere Stylistin“, später erfuhr ich, daß Fritz selbst unser „Art Director“ war. Es ging um irgendeine Napoleon-Geschichte, genauer: um Napoleon-Werbung. Napoleon war bzw. ist eine Champagner-Marke. Ah ja.


Endlich konnte ich einsteigen. Fritz und ich fachsimpelten teils lässig, teils schnell und engagiert, zwischendurch kamen die Whiskies (SOUTHERN COMFORT, kennst du das?). Fritz fuhr der Kleinen im Gesicht herum, tat die Haare weg, bog die Wangen ein, spitzte den Mund, zerrte die Augenbrauen nach oben (das Mädchen tat mir fast leid), (dann riß ich mich zusammen und blickte wie selbstvergessen, als säße ich an meinem Boß-Schreibtisch).


Hier ungefähr, das heißt: hier genau war der Punkt, wo Fritzens Höhenrausch und Größenwahn einsetzte. Noch merkte ich es nicht, als er sagte: „Gesichtskontrolle“ und das kleine menuettartige Schrittchen-Mädelchen nach draußen schob.


Wieder zurück, schnippte er die Finger und tönte: "Anja! Vertrag zurechtmachen. Wir nehmen sie." Und zu mir gewa ndt: "Weiter, weiter! Wir haben keine Zeit zu verschenken. Wir brauchen zwölf Mädchen . Zwölf Mädchen bis morgen früh , elf Uhr: Punkt elf Uhr. Das brauche ich dir ja nicht zu sagen. Du hast dich umgesehen, ja? Jung, spritzig, frech, hübsch, na? Ach, die ist ja schon eine, sieh mal, da! Nicht wahr? Also ihr entschuldigt mich bitte.“


Anja war etwas von mir abgerückt, sie war jetzt distinguiert, sehr freundlich, ganz ältliche Beraterin, Mannequin-Mutter. Ich nahm sie jetzt nicht wahr, das Mädchen hatte doch keine kleinen Augen, ich wußte nicht mehr, wie ich darauf gekommen war. Sie saß genau neben mir und war ganz heiß und rot vor Aufregung und Erwartung.


Anja schien gar nicht da zu sein. Tatsächlich fragte mich Fritz später, wo sie denn sei und ich wußte nicht, wie lange sie noch bei uns gewesen war, ob sie überhaupt jemals da gewesen: war. Ich wußte kaum noch… ja, es gelang mir nicht, mir ihr Gesicht vorzustellen .


Aber dieses andere Mädchen, das, von dem ich zuerst angenommen hatte, es habe kleine Augen und hielte sie deswegen ständig geschlossen, war in Wirklichkeit von bedeutender Schönheit. Zwar war sie tatsächlich sehr klein, aber dafür auch sehr zierlich, hatte eine sanfte Stimme und große Sommersprossen. Die Augen erinnerten an niemand anderen als an dich. Natürlich sagt man so etwa s nicht. Aber es war einfach zu auffallend.


Fritz kam, hatte etwas von einer Überschwemmung an sich. Neue, meistens blonde Mädchen schwappten herum, wurden abgeladen, behandelt, eingesprüht, diagnostiziert… schließlich ins Auto getan und ins Appartement gefahren. "Zack-zack. Kein Trödeln. Zeit ist Geld!" rief Fritz.


Im Appartement saßen immer noch die Leute vom Nachmittag. Man kriegt so schnell niemanden wieder weg, den Leuten gefällt es bei mir, das ist inzwischen eine Plage geworden. Da war zumBeispiel Gabi. Gabi war Fritzis und mein erstes gemeinsames Projekt. Ich traf Schweini eines Tages im Café Capri. Er fragte mich, ob ich ein gutes Mädchen wüßte, da s sich nackt fotografieren ließe. Später, noch am selben Tag, traf ich ihn wieder, er strahlte, neben ihm saß ein hohlwangiges Magermilch­ Joghurt-Mädchen, bleich, schwach, still, leidend, fließendes lockiges goldenes Haar. Es stellte sich heraus, daß dieses Geschöpf - Schweini erzählte es - in Kairo geboren war als Tochter eines deutschen Entwicklungshelfers, dort zehn Jahre aufwuchs, dann nach Al-Huf-Huf/Saudiarabien ging, dann nach Teheran/Persien, dann nach Beirut im Libanon und schließlich infolge des Bügerkrieges nach München kam. In Al-Huf-Huf mußte es verschleiert herumlauf en, zu allem Überfluß war der Vater auch noch despotisch.


„Ja, Michael (‘Schweini‘ vermeidet man besser, wenn man etwas von ihm will), das Mädchen ist ja wirklich erstaunlich schön! Wie heißt es denn?"


Das Mädchen blickte kurz hoch, schlug dann aber wieder die Augen nieder, so daß Schweini antwortete: "Gabi."

"Lieber würde ich Jasmin heißen", sagte Gabi, sehr leise natürlich, trotzdem überraschte es mich.


Ich schickte dann sofort einen Boten zu Fritz, der seine Kamera-Ausrüstung mitbrachte und Schweini als Fotograf Konkurrenz machte. Einen Tag später (ich hatte bereits Gabi­Jasmins Adresse) zeigte Schweini im Café Capri die Bilder, die er von Gabi gemacht hatte. Und jetzt halte dich fest: es waren Pornos von der ordinärsten Art. Es war ärgerlich. Fritz und ich, wir wurden beide innerlich wütend. Fritz nahm drei Bilder mit, Schweini hatte nichts dagegen, und wir fuhren zu Gabi. Sie weinte. Lautlos zogen je vier glitzernde Tropfen über ihre Wangen. Gabis Freund (mit dem keiner gerechnet hatte! Den wir zuerst anstarrten als wäre er ebenso interessant wie Gabi) , erzählte uns, was wir schon wußten: daß Schweini sie zum Masturbieren gezwungen hatte.


Dieser Freund, ein gewisser Bodo Plumbeck, von dem noch die Rede sein wird und der genauso ist, wie er heißt, erzählte aber noch andere interessante Dinge, die erfreulicher waren. Zum Beispiel , daß Gabis fließende blonde Haare sich jede Nacht von selbst reinigen. Und daß sie sich niemals die Zähne putzt, weil sie nichts ißt. Und daß sie nicht weiß, was ein Tampon ist, weil sie nicht blutet. Danach fing Bodo mit diesem verdammten ZDL an (Stichwort Sozialtick), und wir verschwanden .


Wir nahmen noch am selben Abend Schweini alle Negative ab, erkannten dann aber, daß damit noch nicht allzuviel gewonnen war. Nicht Schweini war der Gegner, das Hindernis, sondern: Bodo Plumbeck, ZDL.


Diese Gabi also saß nun in meinem Appartement, sah sich die (sehr asthetischen) Aktfotos an, die Fritz von ihr gemacht hatte, und neben ihr saß Richard, Spezialist für "ehrliche Gespräche". Ich nahm ihn beiseite: "Hat sie schon etwas gesprochen?"


"Oh ja. Sie sagt , sie hatte gesehen, wie es beim Zahnarzt zugeht."

"So, so. Wie denn das?"

"Sie hat, glaube ich, eine Freundin hinbegleitet."

"Welche Freundin?"

"Ich weiß es nicht genau. Es kann ja eigentlich nur eine

Nachbarin sein, sie kennt ja niemanden."

"Gut, Richard . Weitermachen . Hat sie sonst noch etwas gesagt?''

"Ja, und wie! Sie hat gesagt, daß sie lieber 'Jasmin' statt Gabi heißen würde!"

"Ja ja. Das hat sie mir auch schon gesagt."

Das war es dann.

"Ah… noch etwas: ihr Freund, er heiß t wohl Bodo -"

"Ja, Bodo."

"- ja, der hat versucht, sich das Leben zu nehmen und liegt jetzt im Kranken-haus."


Ich teilte dies unverzüglich Fritz mit, ja, ich hielt da s für meine Pflicht, und wir setzten Gabi kurzerhand ab, zähneknirschend übrigens, denn den Bodo mochten wir ganz und gar nicht. Das sah ihm ähnlich, jetzt auch noch Selbstmord zu machen, aber… es gibt Grenzen, auch für uns. So fiel eine Reise nach Kairo ins Wasser, auf die wir uns schon sehr gefreut hatten. Stell dir vor, Gabi kann perfekt arabisch!


Richard, Spezialist für ehrliche Gespräche , wurde auf der Stelle von Gabi abgezogen und zu dem Sommersprossenmädchen geschickt. Er bekam heraus, daß sie nicht 16, sondern zwanzig war und Beamtin auf Lebenszeit („Mein Gott, lebenslänglich!" guckte Fritz betroffen), ja, sie hat die mittlere Regierungs-laufbahn eingeschlagen. Armes Ding! Nun aber wird es interessant, bekommt das einen Sinn: Sie schlägt ein perfektes Takewon-do, fährt Alfa-Sud, hat eine eigene Wohnung und - ist frei von jeglicher Art Freund, geschweige denn Eltern und/oder ähnlichem Sie steht vollkommen auf eigenen Beinen, hat keinerlei materielle oder psychische Abhängigkeiten. Wir staunten. Und wo war sie geboren? Im Kleinwalsertal. Natürlich, daher die sanfte Stimme, der österreichische Akzent.


Ja, Richard war gut an dem Tag, er trank unmäßig, merkte sich alles, diktierte es dann Anja, die stenografierte, da Fritz und ich gerade beschäftigt waren. Später sprach ich es auf Band und hockte mich vor Richards Schreibmaschine, um eine Story draus zu braten, für die Fritz wiederum die Fotos machte.


Doch noch war es nicht so weit. Ich mischte gerade verschiedene Dickflüssige Granini-Säfte mit Wodka, als es klingelte: Eva , und zwar Eva Klose, noch dazu mit Freund (Jan), wodurch sie sich noch starker fühlte. Fritz stellte mich sofort, bevor ich eingreifen konnte, als unseren Typographen und Texter vor, begann dann, als Eva mißtrauisch-spöttisch guckte, zu erklären, zu umreißen, hinzustellen, auszumalen, zu bekräftigen (mit Nachdruck) , zu erwähnen (in aller Bescheidenheit). Eine scheckliche Entladung bahnte sich an, alle blickten auf


1 ) Fritz, der dem Größenwahn zusteuerte,

2) Eva, die in aller Ruhe nur auf den Moment, den Sekundenbruchteil wartete, da Fritzens Redefluß eine Pause einlegte.


Währenddessen ließ ich die Cocktails ausgeben. Und dann legte ich Roxy Music auf, sehr laut natürlich. Gabi nippte a n ihrem Glas. Wir gingen einfach aus dem Zimmer, Gabi und ich, liefen durch München , die ganze Nacht. Es war wundervoll. Ja , tatsachlich wundervoll. Und damit ist auch schon alles gesagt über Gabi.

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