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Das Fritz Brinkmann Buch 14

14. Kapitel

29.8.1977

Es raschelte, ich hörte Annerose kommen. Davon wachte ich auf. Sie legte sich sofort zu mir und wir schliefen einige Minuten bis der Wecker klingelte. So begann der Tag.


Ich erzählte Annerose lebhaft, was ich alles gemacht hatte, sie erzählte das Ihrige. Immer wieder kuschelte sie sich an mich, denn sie hatte eine schlechte Nacht gehabt mit Thorsten. Ich sei der weichste und der liebste, hörte ich sie immer wieder sagen.


Ich besuchte sie während der Arbeit. Wir sagten Holz, redeten hastig Uber die letzten Nachrichten. Sie fragte, was sie in der Zwischenzeit für mich tun könne. Ich sagte, sie solle mir einen Zettel schreiben, wenn sie wegginge. Unentwegt rieben wir die Gesichter und die Körper aneinander.


Ich kam von der Arbeit, Carola kam mir entgegen, dann Annerose. Wie damals auf dem Ponyhof sieht sie aus, dachte ich, doch ich hatte es lediglich so erwartet. In Wirklichkeit war sie härter und sagte halb spöttisch, sie hatte wieder eine schlechte Nachricht für mich. Augenblicklich tat mir etwas der Magen weh, aber nur für Sekunden.


Ich mußte dann helfen, Carolas Auto vollzupacken. Ich hatte dazu keine Lust und sagte das bald. „Ich möchte lieber spazierengehen. Laßt uns in die Kaffeestube gehen.“ Ich war gesund geworden, ich hatte wieder Bedürfnisse und wieder eine Sprache. Der Vorschlag wurde angenommen.


Dann drängte ich Annerose, mit der schlechten Nachricht rauszurücken. Ich spürte, wie ich noch Aggressionen von der Arbeit in mir hatte und daß ich Lust auf eine Auseinandersetzung bekam.


"Thorsten findet es nicht gut, daß ich mit einem Kerl zusammen wohne", sagte sie mit ihrem katholischen Lächeln. Ich sagte:

"Drücke dich bitte präziser aus."

"Ich will mich nicht präziser ausdrücken, ich will nicht sagen, hier, ich hab deine Koffer gepackt.“

Ich sah zu Carola. "Na, was sagst du dazu?"

Sie wand sich, sie war richtig traurig.


"Nun, wenn man das mit mir machen würde, würde ich sagen, ich gehe jetzt und komme nie, nie mehr wieder…"

Ich sagte: „Also ich will nicht weggehen. Ich will hier wohnen bleiben."

Carolas Einstellung war mir zu konventionell. Es ging noch hin und her, schließlich sagte Annerose, sie werde es Thorsten sagen, würde ihm meinen Entschluß zu bleiben mitteilen.


In den folgenden Stunden war Annerose sehr kalt, fast hatte man meinen können, sie zeige ihr wahres Gesicht. Noch einigemale wiederholte sie, daß sie nun mal an Thorsten Interesse hatte und nicht an mir. Es schien, als könnte sie nicht zur Kenntnis nehmen, daß ich noch Ansprüche formulierte. Ganz und gar unwichtig war ich geworden, dachte sie, und es war ihr unheimlich, daß ich das offenbar noch nicht begriffen hatte. Ich redete auch etwas wirr. "Du kannst die Rechnung nicht ohne mich machen.“

„0 Gott o Gott.“

„Daß du so dominant geworden bist, lag nämlich nicht daran, daß ich doof bin."

" - sondern an meiner Vielmännerwirtschaft.“

"Nein, daran, daß ich nicht wußte, was ich wollte. Jetzt aber weiß ich es: Ich will weder die Sinnlosigkeit der Einsamkeit noch die Sinnlosigkeit des Aufeinanderklebens mit dir. Ich will einen dritten Weg: mit dir zusammen wohnen.“


Ja, in der Tat, das nämlich ist das lang erwartete 5. Konzept. Alleinseinkönnen ohne Existenzangst. Was mich vor einem Jahr aus Hamburg flüchten ließ, war die Unmöglichkeit, allein zu sein in der damaligen Schlüter-WG. Was mich aus München (vor Anneroses Ankunft) fast flüchten ließ, war erneut dieses Faktum (Brinckmann & Co.).

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