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Das Fritz Brinckmann Buch 46

46. Kapitel

Eben war ich in 'Kirschen in Nachbars Garten'. Anschließend traf ich Frau Bücklers in der Wrangelstraße.

Frau B.: Die Oma sagt, sie hat dir das Geld entzogen, weil du dich damals nicht bedankt hast.

Lojo: Oh, ich habe mich bedankt, mündlich und schriftlich, ich habe schöne konventionelle Dankesworte gefunden, aber das war es nicht, was sie sich erhofft hatte...

Frau B.: Ja. Man soll sich immer bedanken. Ein paar nette Worte. Eine kleine Karte. Man muß nur nett sein. Damit kommt man durchs ganze Leben.

Lojo: Eben nicht. Genau das Nette, Unverbindliche hat die Omi enttäuscht. Omi zahlt nicht zweitausend Mark, um Plattheiten zu hören. Omi ist realistisch und ziemlich direkt. Sie weiß, daß das Geld ihr einziger Trumpf ist.

Frau B.: Ja. Du hättest dich bedanken sollen. Eine kleine Ansichtskarte hätte es ja schon getan. Oder mal kurz anrufen. Ein paar nette Worte, und der andere freut sich. Ja. Ist es nicht so? Ja. Immer nett sein. Vielleicht solltest du dich einfach nachträglich bedanken.

Lojo: Ich HABE mich bedankt, mündlich und schriftlich, nett und freundlich, aber sie wollte MEHR, und das finde ich auch völlig richtig von ihr. Das ist guter alter Olaf-Moll'scher Funktionalismus, jedem das Seine, Geld gegen Zuwendung, Aufmerksamkeit und Interesse. Mir gefällt die Omi ganz gut, ich würde es genauso machen an ihrer Stelle, eigentlich tut es mir leid, daß ich mich so scheißkonventionell bedankt habe, aber das kann ich ja wieder gutmachen.

Frau B.: Ja, das kann man. Es ist viel einfacher als man denkt, nett zu sein. Schreib ihr doch eine kleine nette Postkarte. Oder rufe sie kurz an und sage ihr, daß du dich über das Geld sehr gefreut hast. Sage ihr ganz einfach, daß dich bedanken möchtest. Einfach nett sein. Nett und freundlich. Mit dem Hute in der Hand, kommt man durch das ganze Land. Ja. Ich bin immer nett zu den Leuten gewesen, ja. Damit bin ich immer vorangekommen. Es ist mir immer gutgegangen damit. Ja. Einfach nett sein, Lojo. Du kannst dich ja einfach bei der Oma bedanken. Sag mal, zahlt deine Mutter eigentlich immer noch nichts?

Lojo: Nein. Weil ich es nicht will.

Frau B.: Eine Mutter muß für ihren Sohn aufkommen. Sie muß im Winter nachsehen, ob er einen warmen Mantel hat...

Lojo: Ich bin einundzwanzig, da gibts kein Mutter-Kind-Verhältnis mehr, Gott sei Dank!

Frau B.: Ja, sie muß nachsehen, ob er einen Mantel für den Winter hat. Und sie zahlt dir keinen Pfennig?

Lojo: Nein, weil ich ihr Geld nicht will! Ver-stehst-du? ICH WILL IHR GELD NICHT! ICH - WILL - IHR - GELD - NICHT!

Annerose: Du... du bist ja, wie kannst du dich nur so benehmen... du hast versprochen, nett zu Mutti zu sein, den ganzen Tag hast du nichts getan, hast mich aufräumen lassen und mir gesagt, als Dankeschön wirst du nett zu Mutti sein, und jetzt schreist du sie an und machst eine Szene, benimmst dich wie ein brüllender Familienvater, ich finde das so gemein, den ganzen Tag habe ich geputzt und aufgeräumt und gebacken und vorbereitet und extra Kerzen gekauft und frische Deckchen aufgelegt und das Keramikgeschirr geholt... und du... das ist so typisch, so typisch, du bist so...

Lojo: Es tut mir leid, wirklich, ich bin so angespannt, ich habe die ganze Zeit an diesem Thomas-Mann-Referat geschrieben, komm, es war ja nicht so gemeint.

Frau B.: Ja. Ocka sagt ja auch, daß ihr... euch trennen solltet. Wenn die Mutter nicht mehr zahlt, ja. Ja. So ist das. Wenn sich jemand nicht einmal bei der Oma bedankt. Ja. Ist doch so. Ist doch so einfach, sich nett zu bedanken.

Lojo: Ich habe mich ja bedankt, Omi wollte aber etwas anderes als einen netten, konventionellen Dank, weißt du, das war der springende Punkt, verstehst du, Mutti? Ich habe mich doch sogar mündlich UND schriftlich bedankt, ich hatte sogar sofort angerufen und der Dankeschönbrief war zwei Seiten lang, weißt du, aber er war nicht so persönlich und interessant wie ich sonst schreibe, verstehst du? Das war es. Ich hatte mich zwar bedankt, nett bedankt, aber im Grunde habe ich mich weniger um sie gekümmert als vorher. Das ist ein Problem, nicht wahr, Mutti? Es ging wirklich sieht darum, sich nett zu bedanken, verstehst du das? Übrigens schmeckt der Kuchen vorzüglich, Annerose, wirklich. Ach, wir haben es doch schön hier. Und wie die Kerzen brennen! Die Deckchen hast du wohl auch extra aufgelegt, was, Liebes? Ja, das sieht man sofort. Kinder, man muß es mal sagen: Wir haben es doch alle gut. Ich darf dir den Zucker reichen, Mutti?

Frau B.: Ich habe Schlagsahne mitgebracht, will die jemand schlagen? Hier ist die Tasche, da muß sie unten drin sein. Ja, das ist alles für euch, alles, was in der Tasche ist.

Annerose: Oh, ja! Schnubbi-Käse! Gute Sahnebutter... Joghurt, noch ein Joghurt, oh, da sind ja viele Joghurte... Teigstullen, Zuckerbrötchen, Wiener Röllchen mit Marmelade-füllung und Fettglasur, Pfannkuchen und Schweinsohren, Schwarzwälder Kirschtorte, Schmelzpastetchen mit Klebstoff und Edelcreme und was noch nicht alles, ach, Mutti! Irgendwie bist du doch die Größte!

Frau B.: Ja. Das mache ich doch gern für euch. Wenn ihr nichts zu essen habt, bin ich immer für euch da. Ich bin doch die Mutti. Ja. Eine Mutter steht immer zu ihrem Kind, ein ganzes Leben lang. Ja. Aber bei der Oma würde ich mich doch bedanken, Lojo, nur ein kleines Kärtchen, einfach nett sein. Ja. Vielleicht zahlt dann auch die Mutter wieder. Wenn sie sieht, daß du nett sein kannst, und daß die Oma dir verziehen hat, dann verzeiht sie dir vielleicht auch. Ja. Versuch es doch mal. Einfach nett sein. Ja. Mit dem Hute in der Hand, kommt man durch das ganze Land.

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